Appellationen abseits des Rampenlichts
erstellt am: 19.07.2018 | von: Manuel Hornemann | Kategorie(n): Allgemein, Tests und Kritiken
Redet man über das Burgund, so redet man über die Côte d’Or. Dieser schmale Streifen Frankreichs zwischen Chagny und Dijon. Hier entstehen auf Kalk- und Mergel-Böden die möglicherweise feinsten Weine Frankreichs, gar der Welt -die weißen aus Chardonnay und die roten aus Pinot Noir. Die meisten würden vielleicht jetzt noch die insgesamt 32 Grand-Cru-Lagen der Côte d’Or erwähnen und sich zufrieden zurücklehnen, denn mehr gibt es zum Burgund doch eigentlich nicht zu erzählen.
Tja, eigentlich stimmt diese Annahme ein Stück weit, und doch würde man so viel verpassen. Man würde 2000 Jahre Weinbaugeschichte unter den Tisch fallen lassen, hart arbeitende Winzer außerhalb der Côte d’Or mit Verachtung strafen und am schlimmsten: ungeahnte Genüsse ignorieren.
Lassen Sie uns also durch die weniger prominenten Appellationen streifen und neue, ungeahnte Genüsse entdecken.
Ganz im Norden des Burgunds befindet sich die Heimat eines absoluten Weinklassikers – Chablis. Die Reben wachsen auf Kimmeridge-Böden, einer aus dem Urmeer entstandenen, stark kalkhaltigen Bodenformation, deren karge Mineralität sich in der kühlen, sauberen Stilistik des Chablis manifestiert.
Bewegen wir uns von Chablis noch ein Stück nach Osten, finden wir ein winziges Anbaugebiet entlang des Flusses Armançon – Tonnerre. Seit dem 9. Jahrhundert ist Weinbau in der Region nachweisbar, bis die Reblauskrise dem Weinbau, der Region, ein jähes Ende bereitete. In den 80er Jahren traten die ersten Winzer an, das Erbe der Region anzunehmen und Weine zu erzeugen, die der Geschichte des Anbaugebiets würdig sind. So finden sich heute Weine namhafter und aufstrebender Winzer des Chablis wie zum Beispiel Patrik Piuze aus der Appelation Bourgogne Tonnerre in den Restaurants und Weinbars von Chagny bis Paris. Hier sind die Weine vielleicht noch ein Stückchen knackiger, frischer und die Mineralität vielleicht noch etwas salziger als im Chablis. Vor allem zu Austern und Ziegenfrischkäse sind sie ein absoluter Hochgenuss.
Bewegt man sich jedoch vom Chablis in südwestlicher Richtung, so trifft man auf eine wunderbare Ausnahme. L’Exception en Bourgogne, lautet der Leitspruch der Appellation Saint Bris, die erst seit dem Jahr 2003 AOC-Status genießt. Die tonangebende Rebe hier ist der Sauvignon Blanc. Einfachere, jüngere Varianten zeigen sich betont fruchtig, ohne jedoch übermäßig parfümiert zu erscheinen. Varianten von älteren Rebstöcken wie Clotilde Davennes Vieilles Vignes, bringen zusätzlich eine tiefe Mineralität ins Spiel, wie man sie im Sauvignon Blanc sonst nur in den prominentesten Appellationen des Centre trifft.
Im Anschluss an Saint Bris finden wir die Appelation Irancy. Hier entstehen duftige Rotweine, die neben dem obligatorischen Pinot Noir die Rebsorte César enthalten können. César weist große Ähnlichkeit mit der Rebsorte Lambrusco auf und soll von römischen Legionären nach Frankreich gebracht worden sein.
Bewegt man sich nun ein Stück weiter in den Süden, so erreicht man eine weitere, den meisten gänzlich unbekannte Region. Der alteingesessene Wallfahrtsort Vézelay ist Zentrum und Namenspate dieser 70 Hektar großen AOC. Auf dem kalkigen, von Grypheagigantea-Fossilien durchsetztem Boden entstehen ebenfalls herrlich frische Tropfen. Talentierte Winzer wie Sophie und Mathieu Woillez von der Domaine La Croix Montjoie kitzeln mit harter Arbeit und Hingabe das eigenständige Profil der Appellation hervor. Die unermüdliche Arbeit dieser Winzer und der absolut einzigartige Charakter dieser Region wurde mit der Aufwertung zur AOC Vézelay gewürdigt.
Überspringen wir nun die allseits bekannte Côte d’Or, erreichen wir in deren südlicher Fortsetzung die Côte Châllonaise. Auf der anderen Seite des Flüsschens Dheune zieht sich ein sanftes Hügelband von Nord nach Süd durch 5 Gemeinden, die gleichzeitig auch namensgebend für die AOCs sind.
Bouzeron stellt direkt die erste Besonderheit dar. Die AOC ist lediglich für den zitrischen Aligoté klassifiziert. Diese Tatsache ist wohl eher historischen Gegebenheiten geschuldet, denn eigentlich besteht kein Grund zu der Annahme, dass auf den kalkigen Böden nicht auch Chardonnay gedeihen könnte. Dennoch ist die erst 1997 erfolgte Aufwertung zur eigenen Appellation ein Beleg für die herausragenden und gleichermaßen eigenständigen Weine, die hier entstehen. Als großer Vorkämpfer dieser Qualitätsbewegung zeigte sich in Form von Aubert de Villaine ein großer Name der Côte d’Or. Wie gewohnt konsequent biodynamisch, produziert die Domaine de Villaine neben einem roten und weißen Côte Chalonnaise vor allem Aligoté unter der AOC Bouzeron.
Ein Stück weiter im Süden finden wir die Appellation Rully. Hier entstehen frische, knackig mineralische Chardonnay und leichte, fruchtig elegante Pinot Noirs. Auch hier bildet die Speerspitze einer neuen Qualitätsbewegung ein biodynamisches Weingut. Alte Rebanlagen und Vincent Dureuils unbestrittenes Feingefühl beim Ausbau der Weine bilden das Fundament der großartigen Weine aus dem Hause Dureuil-Janthial. Auch dem Fachmagazin Bourgogne Aujourd’hui blieb diese Entwicklung nicht verborgen, und so wurde Vincent Dureuil bereits im Jahr 2013 zum Winzer des Jahres geadelt.
Auch ein weiteres Stück weiter südlich brilliert: Vincent Dureuil. In Mercurey versteht er es, die saftige Frucht und den leicht rustikalen Charme dieser Appellation einzufangen und außerordentliche Pinot Noirs mit großem Alterungspotential zu erschaffen.
Hieran sich die Appellationen Givry und Montagny an, wobei vor allem letztere Weißweine von guter Qualität hervorzubringen vermag.
Fortgesetzt wird unsere Reise gen Süden mit dem Mâcon. Westlich der Saône schmiegen sich die Weinberge in die Landschaft.
Auch wenn vereinzelt Rotweine angebaut werden, so befinden wir uns in absolutem Weißwein-Land. Ganz im Süden der Appellation befindet sich die namensgebende Stadt Mâcon und etwa 25 km nördlich die Stadt Chardonnay. Ob die berühmte Rebsorte ihr den Namen verdankt, sei dahingestellt. Die Weißweine die im Mâcon entstehen, sind in der Regel charmant und zugänglich, ohne dass ihnen die nötige Ernsthaftigkeit abhanden kommt. Durch ihre frische Zitronenfrucht und ihren buttrigen Schmelz geben sie sich stets als Chardonnay zu erkennen.
Die Klassifikation im Mâcon ist – ähnlich der Côte d’Or – pyramidenartig aufgebaut. Am unteren Ende der Hierarchie finden sich Mâcon. Diese Weine bieten in der Regel soliden Alltagsgenuss. Unter den wachsamen Augen eines geübten Vignerons können aber auch schon auf dieser Stufe Weine mit großem Trinkvergnügen entstehen.
Die nächst höhere Stufe bilden die Village-Weine. Diese Weine dürfen nur noch zu 100 % aus Chardonnay produziert werden. Sie führen den Ort ihrer Produktion auf dem Etikett wie z.B. Mâcon-Vergisson, aber auch Mâcon-Chardonnay (bezogen auf den Ort) ist möglich.
Als nächste Stufe findet sich das Cru-Niveau. Auf der einen Seite die Appellation Viré-Clessé, bestehend aus den zwei namensgebenden Dörfen Viré und Clessé sowie Laizé und Montbellet. Sie genießt erst seit 1999 AOC Status und würdigt so die konsequente Arbeit der Winzer der Region.
Von hier nur noch ein kleines Stück weiter im Süden befinden sich in einer Kalksteinschüssel die drei Pouilly Appellationen Pouilly-Fuissé, Pouilly-Vinzelles, Pouilly Loché, umgeben von Saint Véran. Hier beginnt auch eine für Geologen spannende Region. Der burgundtypische Kalk trifft auf den Granit des südlichen Beaujolais. Das Aufeinandertreffen dieser beiden sorgt für dichte Formationen aus verschiedenen Mergeln und Kalk, die sich in den Felsen von Vergisson und Solutré manifestieren. Gerade hier in diesem Verwerfungsbereich finden sich viele der ambitionierten Winzer wie Éric Forest, aber auch alt eingesessene Größen der Côte d’Or wie das Zweitweingut von Comte Lafon – Les Hériters du Comte Lafon, bewirtschaften hier mit großem Erfolg Parzellen.
Wie Sie also sehen, bieten selbst so wohlbekannte Gegenden wie das Burgund noch einige unentdeckte Schätze.
Kevin Kleu
Sommelier