Nervi – manchmal muss es eben nicht Langhe sein
erstellt am: 27.07.2018 | von: Albert Kierdorf | Kategorie(n): Kierdorf News, Tests und Kritiken
Die malerische Region Piemont liegt, zu drei Seiten von Bergen eingeschlossen, im Norden Italiens. Der Fluss Po durchfließt die Region, und ein Großteil des Weinbaus spielt sich südlich des Flusses ab. Um ganz ehrlich zu sein, findet eigentlich sämtlicher Weinbau, über den man Land auf Land ab spricht, in zwei Teilbereichen der Region Langhe statt – Barolo und Barbaresco.
Hier entstehen in den besten Lagen – sogenannte Sorì – traumhaft langlebige Weine aus Nebbiolo, die mit ihrem Duft von Tee, Trüffel, Rosen und getrockneten Früchten auf unverkennbare Art betören. Diese herrlich komplexen Weine werden nicht ohne Grund mit denen des Burgunds verglichen. Zum einen zeigen die besten Exemplare eine ähnliche aromatische Reichhaltigkeit und Tiefe, wie man sie sonst wohl nur im Burgund findet, zum anderen gibt es durchaus klimatische Parallelen und ein ähnlich auf Einzellagen fokussiertes Cru-System.
Würde man sich nun zu einer Verallgemeinerung hinreißen lassen, so bliebe festzuhalten, dass Barbaresco in der Regel etwas leichter und eleganter ausfällt als sein „großer Bruder“ Barolo, es gäbe aber durchaus einzelne Beispiele, die dies Lügen strafen würden. Außerdem sollte man auf die heute immer weiter verschwimmende Grenze zwischen Modernisten und Traditionalisten eingehen. Zieht man diese Grenze klar, so sind als Modernisten eben diese Weingüter zu verstehen, die sich einem früher zugänglichen Barolo-Stil widmeten. In den 1980er Jahren begann, angeführt von Weingütern wie Paolo Scavino, Luciano Sandrone, Elio Altare oder auch Domenico Clerico, die Modernisierung des Weinbaus im Barolo. So setzten diese Weingüter auf kürzere Mazeration und Barrique-Ausbau und lösten so den etwas überspitzt ausgedrückten „Barolo-Krieg“ aus. Auf der anderen Seite des Grabens standen die Gralshüter des traditionellen Barolo. Allen voran Giacomo Conterno, der nach wie vor auf traditionell lange Maischestandzeiten von bis zu 60 Tagen und den Ausbau in großen, mehrere 1000 Liter fassenden Fässern aus slowenischer und österreichischer Eiche, den sogenannten Botti, setzt.
Traditionell geht es auch im Norden des Piemonts zu. In Gattinara an den Ausläufern des Monte-Rosa-Massivs übernahm Roberto Conterno, Erbe des Weinguts Giacomo Conterno, den Weinbaubetrieb Nervi. Nach langer Tätigkeit als Berater bei Nervi wollte er es nun persönlich in die Hand nehmen, dieses Weingut und die Region wieder ins Rampenlicht zu rücken.
Vor der Reblauskatastrophe waren die Weine des Anbaugebiets am Fluss Sesia weitaus bekannter als die Weine aus Langhe. Und auch heute bieten sie großes Trinkvergnügen abseits des Scheinwerferlichts. Die Reben wachsen hier in Höhen von bis zu 480 Metern auf tonhaltigen Porphyr-Böden. So bringt die Spanna, wie der Nebbiolo hier genannt wird, außergewöhnliche Weine hervor. Die Weine erinnern an einen leichten Barbaresco. Mit ihrer straffen Säure und ihrer duftigen Würze muten sie bisweilen sogar burgundisch an. So bereiten sie leicht gekühlt auch auf der Terrasse beim Grillen große Freude.
Wie Sie sehen, bieten die Weine der Region zweifellos einen besonderen Genuss, der sich nur schwierig einordnen lässt und deshalb unbedingt probiert oder noch besser mit anderen Weinen aus dem Barolo verglichen werden sollte. Seien Sie also einer der ersten (Wieder)Entdecker dieser tollen Region und der Weine des unbestrittenen Meisters. Die hohe Qualität der Weine wird mit Sicherheit noch einmal steigen, da Roberto Conternos konsequentes Engagement zu nichts Geringerem als Weltklasse führt. Ebenso ist davon auszugehen, dass bereits ab dem kommenden Herbst die Preise der Weine aufgrund einer weiteren Qualitätssteigerung und der durch die Übernahme gesteigerten Nachfrage deutlich zulegen werden. Greifen Sie also schnell zu. Es lohnt sich.